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Der “Berliner Lokalanzeiger” vom 28.XII.1899 schrieb unter der Überschrift: Die Jahrhundertpostkarte und der Sturm auf die Postämter »Die Berliner Postämter haben heute Morgen ähnlich wieder, wie an dem berühmten 9.9.99, einen Sturm der Sammler erlebt, welche möglichst große Quantitäten der neuen, anläßlich der Jahreswende zur Ausgabe gelangenden Postkarten zu erobern gedachten. Der Reichspost Fiscus mußte jedoch diesmal nach einer halben Stunde auf der ganzen Linie capitulieren, da die den einzelnen Aemtern zugetheilte Postkarten-Munition total verschossen war. Um ½ 8 Uhr standen die Bewerber in langen Colonnen aufmarschiert, deren Nachhut bis auf den Fahrdamm reichte. Alle machten lange Hälse und lugten scharf nach dem Thore des Postamts, das sich mit dem Glockenschlag 8 Uhr öffnen mußte. Als dies endlich geschah, drängten die Vordersten mit solcher Verve vorwärts, dass die zwischen den Thüren eingeklemmten ein jämmerliches Geschrei erhoben. Da jedoch große vaterländische Interessen auf dem Spiele standen, that dies der allgemeinen Begeisterung keinen Abbruch. Die Postbeamten denen das Männerherz angesichts des Massensturms etwas furchtsam zu pochen begann, thaten, was sie nur konnten. Sie hätten aber tausend Hände haben können, und sie würden immer noch nicht dem Zuspruch genügt haben. Allein bald war der Vorrath erschöpft. Es blieb ihnen, da jedes Amt nur etwa 1200 Stück der Podbielskischen Neujahrsgabe erhalten hatte, schliesslich nur übrig, sich als insolvent zu erklären und dies durch Anschlag bekannt zu geben. Unter einem allgemeinen Ah! der Missbilligung zerstreute sich die Menge.

An den Schalterfenstern aber erschienen kleine handschriftlich hergestellte Zettel des Inhalts:

“Die Auflage ist vergriffen!

Nächste Ausgabe Sonnabends!”

Inzwischen brauchten die Reflectanten (Kaufinteressenten) auf die neue Karte nicht bis übermorgen nach ihr zu lechzen. Die wohlmeinende Absicht der Postverwaltung, jede Preissteigerei zu verhindern ist illusorisch geworden. In der Friedrichstraße und den großen Verkehrscentren werden die Karten mit dem üblichen Radau seitens der Straßenhändler angeboten. Natürlich mit Aufgeld. 25 bis 50 Pfennig Agio pro Stück werden bereitwillig gezahlt. Bei Schluß der Mittagsbörse verkehrte die neue 1900er Emission mit 55 Pfennig pro Stück. Tendenz steigend.«

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